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Telemedizin, Telemonitoring, eHealth, AAL, Gesundheitstelematik – viele Begriffe, eine Bedeutung?

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Was ist eigentlich genau Telemedizin – PDF –
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eHealth als Oberbegriff

Beschäftigt sich eine Person das erste Mal mit telematischen und telemedizinischen Verfahren und Anwendungen, kann dies ganz schön verwirrend sein. Viele unterschiedliche Begriffe wie „Gesundheitstelematik“, „Telemonitoring“, „Teletherapie“ etc. tauchen auf, ohne dass diese vorab klar definiert werden. Der gleiche Begriff wird von Autoren/-innen mit einem unterschiedlichen Hintergrund bzw. Konzept benutzt. Es existieren verschiedene Definitionen von eHealth und seinen einzelnen Subdiszplinen. Selbst Schreibweisen sind uneinheitlich: „eHealth“/„E-Health“/„EHealth“. Oh, Rizo, Enkin und Jadad (2008) bspw. ermittelten in einer Studie, dass im Zeitraum von 1999 bis 2004 insgesamt 51 unterschiedliche Definitionen zum Oberbegriff eHealth existierten und die Definitionen uneinheitlich sind (vgl. Oh, Rizo, Enkin, Jadad (2008), www.jmir.org/2005/1/e1/). Die uneinheitliche Nutzung der Begrifflichkeiten und der dahinterliegenden Bedeutung erschwert ein allgemeines Verständnis der Nutzenparameter sowie der zu bewältigenden Herausforderungen von eHealth und Telemedizin und beeinträchtigt den wissenschaftlichen und anwendungsorientierten Diskurs. Vor diesem Hintergrund soll der vorliegende Beitrag ein wenig Ordnung in das Begriffswirrwarr bringen und eHealth sowie vor allem den Begriff „Telemedizin“ definieren.
Unter eHealth wird zunächst einmal allgemein der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Gesundheitswesen verstanden. Daher fallen unter diesen Oberbegriff IKT-Lösungen wie bspw. telemedizinische Anwendungen, Krankenhausinformationssysteme, elektronische Patientenakten, Gesundheits-Apps etc. Die zunehmende Verbreitung des Internets bzw. die Digitalisierung vieler geschäftlicher und sozialer Prozesse war und ist der Wegbereiter für eine intensivere Nutzung von IKT im Gesundheitswesen. eHealth fokussiert auf einrichtungsübergreifende und vernetzte Geschäfts- und Versorgungsprozesse. Es fördert die Neukonzeption von Prozessen im Gesundheitswesen. eHealth weist einen unmittelbaren Gesundheitsbezug auf und ist daher nicht mit rein administrativen Systemen bzw. Tätigkeiten wie Abrechnung, Einkauf, Terminplanung etc. gleichzusetzen (vgl. Denz, M. (2002): Glossar eHealthcare, Schweizerische Ärztezeitung Nr. 39, S. 2042-2044). Für eine exaktere Unterscheidung zugunsten eines einheitlichen Verständnisses ist eine weitergehende Untergliederung unerlässlich.

 

Definition von Telemedizin

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass unter telemedizinischen Dienstleistungen prinzipiell „der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien“ zu verstehen ist, „um durch den Austausch gültiger Informationen für Diagnose, Therapie und Prävention von Krankheiten und Verletzungen räumliche und/oder zeitliche Distanzen zwischen den zur Lösung des medizinischen Problems involvierten Leistungserbringern und Patienten zu überwinden“ (vgl. Field MJ (1996), S. 16-33 sowie Schultz, C, Salomo, K (2005), S. 17-42). Häufig werden telemedizinische Anwendungen als „Medizin auf Distanz“ bezeichnet. Es lässt sich also sagen, dass telemedizinische Anwendungen den Zugang zu medizinischem und/oder pflegerischem Expertenwissen ermöglichen, das ansonsten nicht oder nur schwerlich verfügbar wäre. Deutlich wird bei dieser Definition, dass Telemedizin einen medizinischen Bezug aufweist und sich direkt auf Diagnose, Therapie, Rehabilitation oder Prävention bezieht. Telemedizinische Dienstleistungen beruhen auf der sensorischen Erhebung, Übertragung, Visualisierung und Auswertung von Daten und Bildern und können in die Gruppen Audio- und Videoübertragungen, reine Bildübertragungen und Übertragung von biomedizinischen Daten unterteilt werden (vgl. Schultz 2006).
Häufig wird von „DER Telemedizin“ gesprochen, obwohl es diese so gar nicht gibt. Dies fängt schon damit an, dass sich Telemedizin in „Doc2Patient“ und „Doc2Doc“-Telemedizin unterteilen lässt, wie folgende Abbildung veranschaulicht:

Abbildung 1: doc2doc und doc2patient-Telemedizin

doc2doc und doc2patient-Telemedizin

Quelle: Eigene Darstellung (2015) in Anlehnung an Pelleter, J. (2014), S. 39:

Wenn medizinische Leistungserbringerinnen und -erbringer untereinander agieren und bspw. Bilddaten austauschen, die sowohl auf Sender- als auch auf Empfängerseite zu finden sind, wird von „Doc2Doc“-Telemedizin gesprochen. Diese Form soll die Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringerinnen und -erbringern verbessern bzw. erleichtern. Beispiele hierfür sind Telekonsultationen, Teleradiologie sowie telemedizinisch gestützte Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote. Befinden sich hingegen Leistungserbringerinnen und -erbringer in unmittelbarer Beziehung zur/m Patientin/en und es gibt ein asymmetrisch verteiltes Wissen in Hinblick auf die beteiligten Parteien, so fällt der Begriff der „Doc2Patient“-Medizin. Beispiele hierfür sind das Telemonitoring, die Teletherapie sowie telemedizinisch gestützte Patientenschulungen (vgl. Pelleter, J. (2014): Bedeutung und Systematisierung der Telemedizin, S. 39f). Dies allein macht schon deutlich, dass vielmehr von „telemedizinischen Anwendungen/Dienstleistungen“ gesprochen werden sollte.

Drei Säulen der Telemedizin

Des Weiteren lassen sich telemedizinische Dienste nach unterschiedlichen Anwendungsbereichen differenzieren:

Abbildung 2: Die Säulen der Telemedizin

Die Säulen der Telemedizin

Quelle: Eigene Darstellung (2014).

Telekonsile fördern die Kooperation bzw. den interdisziplinären Austausch zwischen Ärzten/-innen bzw. anderen Angehörigen von Gesundheitsfachberufen. Telemonitoring dient der (kontinuierlichen) Überwachung ausgewählter Vitalparameter in der eigenen Häuslichkeit der/des Patientin/-en. Die Teletherapie dient der Durchführung von Therapien unabhängig von der räumlichen (und ggf. zeitlichen) Distanz.

Innerhalb dieser Anwendungen gibt es verschiedene Bereiche für unterschiedliche Beschwerde- und Krankheitsbilder. Nachfolgend wird für jede Variante jeweils ein Beispiel dargestellt, das zeigt, wie ein entsprechendes Versorgungsszenario aussehen kann:

  • 1) Telekooperation

Ein typisches Beispiel ist die Teleradiologie, die eine ort- und zeitunabhängige Befundung von Bilddateien bzw. radiologischen Bildern durch Spezialistinnen und Spezialisten ermöglicht. Auf einer gemeinsamen elektronischen Plattform können berechtigte Ärzte/-innen Bilddateien einstellen, speichern, aufrufen, markieren, etc. So können radiologische Expertinnen und Experten bspw. von zu Hause aus die Plattform aufrufen und eine Bilddatei befunden oder eine Zweitmeinung an die ärztlichen Kollegen/-innen abgeben (Abb. 3).

Abbildung 3: Teleradiologie

Teleradiologie

Quelle: ZTG GmbH (2015).

  • 2) Telemonitoring

Das grundlegende Versorgungsszenario sieht vor, dass geeignete Patientinnen und Patienten zunächst digitale Geräte zur Erfassung von Gewicht, Blutdruck, Puls, Blutzucker, INR-Wert etc. erhalten. Nach einer Schulung zum Umgang mit den Geräten übermitteln die Patientinnen und Patienten die gemessenen Daten an ein kooperierendes telemedizinisches Zentrum oder an die Arztpraxis. In einem telemedizinischen Zentrum werden die täglich oder bedarfsgerecht ermittelten Werte von qualifiziertem Fachpersonal kontinuierlich überwacht und analysiert. Werden Grenzwerte, die meist patientenindividuell festzulegen sind, über- oder unterschritten, wird im Zentrum auf dem Monitor ein Alarm ausgelöst, so dass umgehend medizinische Maßnahmen eingeleitet werden können (bspw. Einsatz der Notärztin/des Notarztes bei schweren Komplikationen oder Empfehlung für einen baldigen Arztbesuch). Neben dem Monitoring an sich beinhaltet das Telemonitoring-Programm in aller Regel auch Konsultationen der Haus- und Fachärztin/des Haus- und Facharztes in festgelegten Abständen (bspw. vierteljährlich), bei denen die behandelnde Medizinerin/der behandelnde Mediziner die Entwicklung der Vitalparameter digital einsehen kann und entsprechend mit der Patientin/dem Patienten die weitere Therapie planen kann. Je nach Krankheitsbild sind zudem zusätzliche Visiten in spezialisierten Zentren (bspw. in Universitätsambulanzen) Bestandteil des telemedizinischen Versorgungskonzeptes. Ergänzend können auch Patientenschulungen und -beratungen zum richtigen Umgang mit der eigenen Krankheit in die Behandlung integriert werden. Abbildung 4 zeigt ein Telemonitoring-Szenario am Beispiel Diabetes mellitus:

Abbildung 4: Telemonitoring bei Diabetes mellitus

Telemonitoring bei Diabetes mellitus

Quelle: ZTG GmbH (2015).

  • 3) Teletherapie

Auch bisher konventionell erfolgte Therapien z. B. bei neurologischen oder psychischen Krankheiten können grundsätzlich telemedizinisch gestützt erfolgen. Dies bedeutet, dass sich Therapeut/in bzw. Ärztin/Arzt und Patientin oder Patient nicht bei jedem Termin persönlich begegnen, sondern sich über E-Mail, Videoaufnahmen und weitere IKT Informations- und Kommunikationstechnologien austauschen. In der Regel erfolgen lediglich das Erstgespräch und ggf. ein vorgesehener Abschlusstermin persönlich. Fragen, Übungsanweisungen, Befindlichkeiten etc. werden über IKT ausgetauscht und besprochen. Abbildung 5 zeigt die Teletherapie am Beispiel der telemedizinisch- bzw. internetgestützten Psychotherapie:

Abbildung 5: Telemedizinisch gestützte Psychotherapie

Telemedizinisch gestützte Psychotherapie

Quelle: ZTG GmbH (2015).

Im vorgestellten Szenario wendet sich die Patientinnen/-en nach Konsultation durch ihre Hausärztinnen/-e bzw. Fachärztinnen/-e für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, welche ggf. auch notwendige Medikamente verschreibt und eine Überweisung ausstellt, an das psychotherapeutische Zentrum, in welchem Psychiater/-innen und/oder Psychotherapeuten/-innen tätig sind. Diese stellen in einem persönlichen Gespräch zu Beginn die Diagnose und erarbeiten Therapieziele und stellen gemeinsam mit den Betroffenen einen Therapieplan auf und schätzen die jeweilige Eignung ein (akut suizidgefährdete Personen werden nicht in die Therapie aufgenommen, sondern in eine stationäre Einrichtung verwiesen). Anschließend halten die Patientinnen/- via internetfähigen Computer wöchentlichen Kontakt zum psychotherapeutischen Zentrum. Dieses gibt dem Erkrankten Übungen für jede Woche mit, steht für Fragen und Probleme zur Verfügung und ist damit durchgehender Ansprechpartner. Die erkrankten Personen bekommen vorab einen festen, für sie zuständige/n Psychotherapeutin/en an die Seite gestellt, welche/r regelmäßig den Kontakt zur/m Erkrankten hat. Letztere/r wiederum gibt seiner/m Therapeutin/en regelmäßiges Feedback zu seinem Empfinden, zu Ergebnissen von Übungen, berichtet über Fort- und Rückschritte, worauf die/der zuständige Psychotherapeutin/en entsprechend reagiert. Nach Abschluss der Therapiefindet erneut ein persönliches Abschlussgespräch statt, in welchem die Ergebnisse besprochen werden und ggf. über eine weitere Therapie beraten wird. Das psychotherapeutische Zentrum ist auch nach Abschluss der Therapie Ansprechpartner für die Patienten/-innen, bspw. wenn es Verschlechterungen oder Rückfälle gibt. Möglich ist auch, dass die niedergelassenen ärztlichen Kolleginnen/-en im regelmäßigen Austausch zu den Therapeutinnen/en stehen. Nach Kontaktaufnahme mit dem Therapiezentrum und Beginn der Therapie kann die/der Erkrankte in der eigenen Häuslichkeit mit der onlinebasierten Psychotherapie beginnen und steht dabei im kontinuierlichen Austausch mit dem Zentrum bzw. verantwortlichen Therapeutinnen/-en. Dies findet meist per eMail statt, möglich ist aber auch eine Ergänzung durch Telefonie oder Videotelefonie.
Grundsätzlich kann der Einsatz telemedizinischer Verfahren als „Realtime“-Anwendung vorkommen, also als zeitgleicher Kontakt bzw. in unmittelbarer Reaktion auf ein medizinisches Ereignis (bspw. wenn ein telemedizinisches Zentrum bei auffälligen Vitalparametern sofort die/den Patientin/en kontaktiert). Eine andere Variante ist der Einsatz nach dem Store-and-Forward-Prinzip. Hierbei erfolgt die Reaktion erst mit einigen Stunden oder auch Tagen Verzögerung (z. B. die Befundung eines nicht notfallmäßigen radiologischen Bildes durch eine/n Teleradiologin/en zwei Tage der der Bilderstellung). Möglich sind auch Hybrid-Formen, welche die Vor- und Nachteile beider Varianten miteinander verbinden (vgl. Pak, HS, Edison, KE, Whited, JD (2008): Introduction. In: Teledermatology: A User`s Guide; S. 5ff).

…und Telematik?

Telematik stellt einen wichtigen Bestandteil vieler telemedizinischer Anwendungen dar und kann wie folgt definiert werden: „Telematik umfasst die gemeinsame oder getrennte Anwendung von Telekommunikationstechnik und Informatik.“ Telematik umfasst diverse informations- und kommunikationstechnischen Methoden und Komponenten, die innerhalb des Gesundheitswesens in unterschiedlichster Form eingesetzt werden (vgl. Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (1999)).

Fazit

Wie die vorangegangen Ausführungen gezeigt haben, gibt es zwar eine Vielzahl von Begrifflichkeiten, wenn es um IKT im Gesundheitswesen geht, jedoch existiert prinzipiell für jeden Begriff eine klare Definition. Es lässt sich festhalten, dass Telemedizin ein Teilbereich von „eHealth“ ist, zwischen den Termini „Telemedizin“ und „eHealth“ jedoch Unterschiede bestehen. Telematik ist dabei das zentrale Instrument der Leistungserbringung. Demnach gehören folgende Instrumente nicht zu den telemedizinischen Anwendungen:

  • Krankenhausinformationssysteme (KIS)
  • Praxisverwaltungssysteme (PVS)
  • elektronische Arztbriefe (eArztbrief)
  • elektronische Patientenakten (EPA) oder Fallakten (EFA)
  • etc.

Es handelt sich hierbei um telematische Anwendungen – sie fallen unter den Oberbegriff „eHealth“. Sie gehören jedoch nicht zu Telekooperation, Telemonitoring oder Teletherapie.
Das Feld der IKT im Gesundheitswesen ist breit angelegt, vielfältig und verändert sich stetig, da durch neue technologische und medizinische Entwicklungen neue Anwendungen hinzukommen bzw. sich verändern. Eine konsequente Einhaltung der Definition tut daher unbedingt not und unterstützt die weitere Entwicklung nutzer- und patientenorientierter Anwendungen.