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Interview mit Dr. jur. Manfred Zipperer

Dr. jur. Manfred Zipperer, Ministerialdirektor a.D.
Vorsitzender des Aufsichtsrats, ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH

Welchen Nutzen sehen Sie in telemedizinischen Anwendungen für das Gesundheitswesen?

In erster Linie sehe ich einen erheblichen Nutzen für Patientinnen und Patienten beim Umgang mit ihrer Erkrankung. Telemedizin kann sie zum Beispiel bei der Medikation oder beim Monitoring sinnvoll unterstützen. Zudem ermöglichen telemedizinische Anwendungen, hochwertige medizinische Expertise zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort vorzuhalten. Im ärztlichen Bereich kann zumindest teilweise ein Ausgleich zum Fachkräftemangel geschaffen werden. Auch aus wirtschaftlicher Sicht sehe ich viele Vorteile. Hier nur ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, in einem Krankenhaus wird in der Nacht plötzlich die Hilfe eines Facharztes benötigt, der aber nicht vor Ort ist. Hier gibt es nun die Möglichkeit, den Rat dieses Experten per Videokonferenz hinzuzuziehen. Diese Lösung ist nicht nur sehr hilfreich, sondern rechnet sich auch wirtschaftlich, da nicht jedes Krankenhaus diese Kapazitäten rund um die Uhr vorhalten muss.

 

Wer profitiert konkret von telemedizinischen Lösungen?

Mit telemedizinischen Lösungen kann medizinische Hilfe und vor allem auch medizinisches Wissen an jeden möglichen Ort gebracht werden. Das ist ein klarer Vorteil für Patientinnen und Patienten sowie für Medizinerinnen und Mediziner. Kurz und knapp gesagt unterstützen telemedizinische Lösungen eine verbesserte Versorgung und davon profitiert letztendlich jeder!

 

Warum etabliert sich Telemedizin insgesamt so zögerlich?

Voraussetzung für die Nutzung der Telemedizin im Versorgungsalltag ist insbesondere deren Finanzierung durch die Krankenkassen. Die komplexen Vergütungsstrukturen berücksichtigen aber bisher noch nicht die Telemedizin. Hier wird wiederum von den Akteuren vorgebracht, dass der Nutzen der Telemedizin im Einzelfall unklar sei. Dabei ist Telemedizin häufig gar keine „neue“ Medizin, sondern lediglich ein effizienteres Verfahren der Leistungserbringung. Eine einfache Festschreibung der „Wahlfreiheit“ der technischen Methoden könnte hier schon viel bringen.

 

Auch die Nutzenbewertung könnte meiner Einschätzung nach viel pragmatischer ausgerichtet sein. Aufwendige RCT-Studien sind nur selten nötig.

Leider haben zudem immer noch nicht alle Berufsgruppen Zugriff auf die Telematikinfrastruktur. Dieser Zugriff ist wichtig, da er den elektronischen Austausch verschlüsselter Dokumente ermöglicht – und das rechtssicher und datenschutzgerecht. Dies gilt z. B. für elektronische Arztbriefe oder andere Befunde. Allen Akteurinnen und Akteuren muss klar werden, dass patientennahe Anwendungen nur eine Zukunft haben, wenn alle bereit sind, neu zu kooperieren. Man darf natürlich nicht vergessen, dass es zeit- und kostenintensiv ist, telemedizinische Infrastrukturen zu entwickeln, die erforderlichen Prozesse umzusetzen und ein Netzwerk auf- und auszubauen. Erste Erfahrungen lehren uns jedoch, dass die erheblichen Potenziale die in diesen Lösungen schlummern, es wert sind, diese Zeit und die Kosten zu investieren.

 

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Telemedizin im Zuge des E-Health-Gesetzes?

Ich freue mich, dass das E-Health-Gesetz nun insbesondere für den Aufbau der Telematikinfrastruktur klare Vorgaben und Verbindlichkeiten sowie zudem gewisse Anreizsysteme enthält. Fraglich ist, ob dies für eine schnelle Umsetzung der Telematikinfrastruktur ausreichend ist. Wie bereits erwähnt, haben nicht alle Akteurinnen und Akteure Zugriff auf die Telematikinfrastruktur. Wichtige Teile der nachstationären Patientenversorgung, insbesondere Rehabilitationseinrichtungen, Pflegeheime/Pflegedienste, Therapeutinnen und Therapeuten sowie die Hilfsmittelversorgung werden komplett ausgeblendet. Dies wird den heutigen Versorgungsrealitäten nicht gerecht und muss dringend berücksichtigt werden!

 

Wie kann das Journal „Die Telemedizin“ Akzeptanz telemedizinischer Lösungen steigern?

„Die Telemedizin“ sieht aus verschiedenen Blickwinkeln auf die Themen Telematik und Telemedizin. Hier bekommen, neben Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Branchen des Gesundheitswesens und der IT-Branche, auch Nutzerinnen und Nutzer eine Plattform geboten, um über ihre Erfahrungen in diesem Bereich zu berichten. Beiträge aus Wissenschaft und Forschung machen deutlich, welches Potential in telemedizinischen Lösungen schlummert. Das Internet hält viele Informationen bereit – über das Portal und den Newsletter „Die Telemedizin“ erhalten die Leserinnen und Leser gebündelt alle Informationen zu aktuellen Entwicklungen von hochkarätigen Expertinnen und Experten. Mit der ZTG GmbH und der DGTelemed hat „Die Telemedizin“ Herausgeber, die sich seit Jahren als führende Expertenorganisationen im Bereich Telematik und Telemedizin engagiert und etabliert haben.